OB-Kandidat Dr. Stefan Müller-Kroehling referierte über Bäume in Landshut, wie hier vor der Weißtanne in der Papiererstraße.
Landshut – pm (26.08.2019) Fast 50 Teilnehmer konnten der OB-Kandidat Dr. Stefan Müller-Kroehling und die ÖDP Stadträtinnen Christine Ackermann und Elke März-Granda bei der Radltour zum Thema „Bäume in der Stadt“ begrüßen, zu der die ÖDP eingeladen hatte. Ungefähr genauso viele Bäume wurden in einer etwa zweistündigen Radlsafari durch den städtischen Baumbestand erkundet. Das entspricht auch etwa dem Verhältnis von Baum zu Einwohner in den meisten deutschen Städten, wie der Forstwissenschaftler erläuterte, also etwa ein Baum pro Einwohner.
Gleich am Ausgangspunkt plädierte der OB-Kandidat für die stärkere Berücksichtigung seltener heimischer Bäume wie der Flatterulme. Die kerngesunden Exemplare rund um das Bahnhofsgebäude zeigten, dass diese Baumart für städtische Verhältnisse sehr gut geeignet ist. An erster Stelle sollten diese Bäume durch frostharte südeuropäische Arten ergänzt werden, wie die entlang der Route besichtigten Silberlinden, Flaum-, Zerr- und Ungarische Eichen.
Auch die „Netzwerkplatane“ wurde besichtigt, mit ihren 3,92 Stammumfang ist sie ein echter Gigant. Studien der TU München hätten ergeben, dass eine 75jährige Platane einer jährliche Kühlleistung von 92.000 Kilowattstunden entspreche. Mit ihrer ausladenden Krone trägt diese Hybridplatane also wesentlich zu einem gesünderen Kleinklima am Bahnhofsvorplatz und im Netzwerkgebäude bei.
Der Baumfachmann zählte die zahlreichen weiteren Leistungen von Bäumen auf. Pro Baum und Jahr werden etwa 30 Kilogramm Kohlendioxid in Holz und Wurzeln und durch die Blätter stolze zwei Gramm Feinstaub gebunden, sowie etwa 300 Liter Regenwasserrückhalt geleistet – durch Rückhalt in der Krone und Versickerung im Boden. Der Spiegel des Stresshormons Cortisol könne durch den Kontakt mit Bäumen nachweislich um 25 bis 50 % gesenkt werden, was man heute als „Waldbaden“ bezeichnet und bei Bertold Brecht noch als „Menschenfreude“ beschrieben wurde.
Bäume binden Schadstoffe aus der Luft und kühlen an heißen Tagen die Umgebung ab.
Die Nutzholzfunktion gebe es obendrein nach der Fällung und erzeugt wertvolle, klimaneutrale Energie. Die Lebensraumfunktion der Bäume konnte der Entomologe anhand der winzigen Larven der Gitternetz-Platanenwanze erläutern, deren filigrane Schönheit sich freilich erst unter eine Lupe dem Betrachter erschließe. „Die Gitternetz-Wanze an der Netzwerkplatane“ zeige somit auf, dass dieser Baum auch einen Beitrag gegen das Insektensterben leiste. Er sei durch die Baumschutzsatzung aus gutem Recht geschützt und solle keinesfalls drei Parkplätzen weichen dürfen, forderte Müller-Kroehling.
Leider muss der der seit 1987 in der Stadt bestehende Baumschutz jedoch im Vollzug immer wieder erkämpft werden. Dies musste an verschiedenen Stellen immer wieder an Beispielen illustriert werden. Illegale Fällungen und eine große Zahl von Genehmigungen für Fällungen sorgen dafür, dass der Baumbestand unter Druck ist. Bei Baustellen sei es sehr wichtig, wirkungsvolle technische Schutzmaßnahmen einschließlich des Wurzelraumes vorzusehen und den Baumerhalt in den Baubescheid aufzunehmen.
Dass Baum und Boden eine Einheit darstellen, sah man an einer absterbenden Roteiche in Nachbarschaft der Platane. In der viel zu kleinen Baumscheibe kann sich weder Bodenleben entwickeln noch genügend Wasser versickern, und beides braucht der Baum. In den immer stärker verdichteten Städten bleibt zu wenig Raum für Bäume und Natur – die auch unsere Lebensgrundlage sind, und im Klimawandeln noch an Bedeutung gewinnen. Etwa drei Grad beträgt der Unterschied zwischen einer Fläche mit und einer ohne Bäumen im Mittel, im Extremfall an heißen Tagen sogar bis zu 10 Grad.
Station beim Ginko-Baum vor der Christuskirche.
Fast mystisch vor dem alten Kirchengemäuer der Christuskirche wirkten gleich drei bemerkenswerte Baumarten, der älteste Gingko-Baum Landshuts, von der Stadt als Naturdenkmal ausgewiesen und als Baumgattung 250 Millionen Jahr alt, sowie zwei Amerikanische Zürgelbäume und eine Lawson-Scheinzypresse. Dieser Nadelbaum, meist als Heckenkonifere gepflanzt, zeige hier sein Potenzial als echter Waldbaum, der in seiner westamerikanischen Heimat bis 60 Meter hoch und für Kanus und Totempfähle verwendet wird. Der Bedarf daran sei zwar in Landshut überschaubar, so der Referent schmunzelnd, aber das Holz dennoch vielseitig verwendbar und im Außenbereich haltbar.
Alle Sinne werden von den Bäumen angesprochen, auch der Geruchssinn, wie beim Röcklturm zu erfahren war. Die zerriebenen Blätter des auch als „Pfannkuchenbaum“ bezeichneten Katsurabaumes verströmen diesen leckeren Duft.
Auch einige gefällte Bäume wurden besichtigt, wie die Sibirischen Ulme in der Papiererstraße, die noch dazu zur Hälfte auf Stadtgrund stand. Hier sollte als Ersatz eine Flatterulme gepflanzt werden, wünschte sich der Referent. „Sie wäre eine wesentliche Bereicherung für Stadtbild und das Stadtklima und zusätzlich eine Zierde für den Platz vor dem Hotel, sowie ein Schattenspender“, betonte Müller-Kroehling.
Schräg gegenüber zeigte eine schlanke, hochgewachsene Blaufichte den Teilnehmern eindrucksvoll, auf welch schmalen Flächen vitale und stadtbildprägende Bäume noch wachsen können, wenn ihr Wurzelraum ausreichend sei. Das seien ausdrücklich auch Nadelbäume, so der Müller-Kroehling, denn sie böten im Winter den Vögeln einen Lebensraum. Besichtigt wurden als Beispiele hierfür auch stattliche Exemplare von Gemeiner Fichte, Stechfichte, Douglasie, Coloradotanne und Weißtanne. Letzterer Baum leide allerdings in der Stadt nach wie vor unter der Luftverschmutzung.
Die vorletzte Station führte zu der dicksten Flatterulme Landshuts an der Nikolakirche. Sie hat sogar die Bombardierung des nahegelegenen Bahnhofs zum Ende des zweiten Weltkriegs überstanden und strotzt mit ihren 4,32 Umfang nur so vor Vitalität. Nur an dieser Baumart leben die hübsche Hahnkammgallmilbe und der Ulmenblattfloh. Der Referent lobte, dass die Stadt seit einigen Jahren verstärkt diese Baumart pflanzt, besonders entlang der Isar-Radwege. Sie sind kerngesund und sehr wüchsig und haben auch die Trockensommer gut überstanden.
Den Abschluss der Baumführung bildete eine Manna-Esche am Kopf der Bahnhofsüberführung. Der in Südeuropa heimische Baum blüht und duftet im Juni. Da er gegen das Eschentriebsterben nicht empfindlich ist, sollte er verstärkt berücksichtigt werden, gerade dort, wo die Bäume nicht zu hoch werden dürfen. In Europa heimische Baumarten sind laut dem Referenten zu bevorzugen, da deren Fauna leichter ihrem Wirtsbaum zu uns folgen könne als bei einem Exoten aus fernen Kontinenten.
Mit sehr vielen positiven Aspekten des Baumschutzes in der Stadt und dem gemeinsamen Wunsch, eher mehr als weniger Bäume in der Stadt zu wollen, entließen die ÖDP-Politiker nach dieser klimaneutralen Radlsafari die Teilnehmer in den Sommerabend. Müller-Kroehling will als OB das Wachstumsziel von mindestens 1.000 neuen Bäumen in den ersten zwei Jahren umsetzen, um Landshut fit für den Klimawandel zu machen und als lebenswertes Landshut zu erhalten.