Landshut. "Früher hatten die Menschen die Folterbank, heute die Presse". Es war am Mittwochabend (11.01.) beim Neujahrsempfang kein geringerer als der Ärztliche Direktor des Klinikums, Prof. Dr. Axel Holstege (Foto) selbst, der mit diesem Pressezitat Oscar Wilde bemühte. Vor 350 geladenen Gästen opferte Prof. Dr. Holstege beinahe die Hälfte seiner Redezeit, um sich mit der Presse, namentlich "BILD", äußerst kritisch zu beschäftigen.
Wir erinnern uns:
Im Sommer 2011 tauchte ein Protestbrief von 18 Assistenzärzten auf. Professor Dr. Christoph Zeitler goß seinerseits nicht zuletzt mit Intimkenntnissen als Aufsichtsratsmitglied des Klinikums Öl ins Feuer. OB Hans Rampf schimpfte den kritischen Professor in einer öffentlichen Stadtratssitzung den "Totengräber des Klinikums". Zeitler trat von seinem Posten als Aufsichtsrat zurück. Stadtrat Robert Gewies (SPD) rückte nach. Zum 1. Oktober 2011 trat dann nach einer halbjährigen Probezeit auch noch der kaufmännische Leiter zurück. Der Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Hans Rampf sah vor allem Probleme bzw. Defizite in der internen Kommunikation des Klinikums und in der Außendarstellung. Flugs schickte er kurz vor Weihnachten seinen persönlichen Referenten Thomas Link als Moderator bzw. "Aufpasser" (wie teilweise spöttisch berichtet wurde) für ein halbes Jahr ins Klinikum.
Also, ein in der Tat turbulentes Jahr 2011 für das Klinikum.
Professor Dr. Holstege schilderte in seiner Neujahrsrede zunächst ausführlich die wirtschaftlichen Erfolge und Innovationen in seiner Klinik. Dann widmete er die zweite Hälfte seiner Redezeit der Politik und der Presse.
Nachstehend diese Passagen der Holstege-Rede im Wortlaut:
Mein Damen und Herren, bei all diesen Erfolgen fragt man sich, warum insbesondere im letzten Jahr ein so schlechtes Bild vom Klinikum in der Presse entstand.
Das Interesse von Politik, Presse und kommunalen Krankenhäusern ist nicht nur in Landshut gelegentlich konträr und leider nicht immer unter einen Hut zu bringen.
Politiker müssen allein schon aufgrund ihrer politischen Arbeit das Bedürfnis haben, öffentlich ihre Meinungen und Errungenschaften den Mitbürgern und uns Wählern mitzuteilen. Dieser Hang zur Öffentlichkeit und damit zur Presse ist aber nicht immer von Vorteil wie wir an dem höchsten Würdenträger unseres Landes in diesen Tagen sehen können. Die öffentliche Vermarktung dieser nicht unberechtigten Eigeninteressen eines Politikers sollte aber Rücksicht nicht nur auf ein Amt, sondern auch auf eine Institution wie ein Krankenhaus Rücksicht nehmen.
"Publish or perish" (Publiziere oder gehe zugrunde), diesen Spruch kennen allle, die ihre akademischen Titel durch wissenschaftliche Arbeit an einer Universität erarbeiten mußten. Ohne Publikationen keine Habilitation und damit auch keine akademischen Ehren. Das "Publish or perish" - Prinzip ist auf politischer Ebene eher schädlich. Aktionen, die an "wiki-leaks" erinnern, sind zweifellos problematisch. Pressearbeit muß besonders behutsam da erfolgen, wo öffentliches Interesse sprich das eines kommunalen Krankenhauses beschädigt werden könnte.
Und hier kommt nun die Presse ins Spiel, die mit dem Verkauf von Nachrichten ihr Geld verdient.
Ich würde nicht soweit gehen wie Oscar Wilde. und es war Oscar Wilde und nicht Christian Wuff, der festgestellt hat: Früher hatten die Menchen die Folterbank, heute die Presse.
Die Presse braucht natürlich auch ihre Informanten, um Nachrichten zu erzeugen. leider sind aber nicht alle Pressemedien sehr wählerisch bei deren Akzeptanz.
Schlagzeile der Bildzeitung sorgte für schlaflose Nächte
Die Schlagzeile "Patient am Klinikum geheilt" wird wenig Interesse auf sich ziehen und damit auch selten gedruckt werden. Dagegen ist eine überschrift wie "Landshut - Bakterien: Tod in der Klinik" schon interessanter.
Genau mit dieser Überschrift standen das Klinikum, meine Kollegen und ich vor mittlerweile mehr als 10 Jahren auf der ersten Seite einer Sonntagsausgabe der Bildzeitung Bayern. Im Verlauf stellte sich der Vorwurf als falsch und von den Angehörigen erfunden heraus. Trotzdem hatten wir einen enormen Image-Schaden davongetragen.
ich hatte einige schlaflose Nächte, weil die Staatsanwaltschaft aufgrund dieser Veröffentlichungen ein Vefahren wegen fahrlässiger Tötung eingeleitet hatte. Nachdem sich alles als erfunden herausstelle, erhielten wir weder eine Entschuldigung noch wurden wir für unser vorbildliches Hygienemanagement gelobt. Dieses Beispiel soll Ihnen zeigen, wie extrem verwundbar ein Krankenhaus durch Veröffentlichung von ungeprüften Meinungen ist.
Das Gegenteil läge in einem investigativen Journalismus, der wohl zu teuer ist, zu zeitaufwendig und leider gelegentlich auch nicht gewollt ist. Zumindest mußte ich diese Erfahrung mit der Bildzeitung machen. Die Schilderung eines individuellen Patientenschicksals hat manchmal soviel Suggestivkraft, dass der Wahrheitsgehalt einer Geschichte nicht hinterfragt wird und eine Vorverurteilung der Behandler nahe liegt.
Das Bild eines kommunalen Krankenhauses wird in der Öffentlichkeit nicht nur durch die Politik oder Presse, sondern natürlich auch durch das Krankenhaus selbst beeinflußt. Zwischen Presse und Krankenhaus besteht zweifellos auch ein Nehmen und Geben. Man möchte natürlich im Rahmen eigenen Marketingsrategien seine Leistungen in der Öffentlichkeit wiedergeben und ein möglichst positives Erscheinungsbild abgeben. Wenn man sich in die Öffentlichkeit begibt, darf man sich aber auch nciht wundern, wenn nicht nur positive Stimmen auftauchen (s. Christian Wulff).
Werbekampagnen und Presseartikel sollten aber für ein Krankenhaus nicht überbewertet werden. Entscheidender sind zufriedene Patienten, die Mundpropaganda machen. Und Gott sei Dank habe wir genug davon!
"Ein Krankenhaus gut zu führen ist nicht schwierig, es ist unmöglich"
Mein Wunsch für das Neue Jahr 2012 ist, dass der in letzter Zeit wieder deutlich angesteigene Einfluß der Politik auf das operative Geschäft am Klinikum wieder abnehmen möge. Eine Vielzahl von Experten weist auf diesen negativen Zusammenhang hin. Ich nenne nur Dr. Klaus Schulenburg vom Bayeischen Landkreistag, der in einer Veröffentlichung in der Zeitschrift "Der Bayerische Bürgermeister" in ähnlicher Weise feststellt: "Wesentliche Triebfeder für die Errichtung einer GmbH an einem kommunalen Haus ist es, den Krankenhausbetrieb dem üblichen Zugrifff der Kommunalpolitik zu entziehen, und zum anderen, notwendige unternehmerische Spielräume in der Betriebsführung zu schaffen." Eine Studie des Krankenhausinstituts und weitere Experten kommen zum gleichen Schluß.
Mti dem Enfluß der Politik nimmt naturgemäß auch der Einfluß externer Quellen zu, was nicht immer im Interesse des Krankenhauses ist. Die Entscheidung über Personalstellen - sieht man einmal von Leitungspositionen ab - gehört nach meiner Meinung nicht in einen Aufsichtsrat.
Dann zitierte Prof. Dr. Holstege den Schweizer Gesundheitsökonom und Politologen Dr.Gerhard Köcher: "Ein Krankenhaus gut zu führen, ist überhaupt nicht schwierig. Es ist unmöglich."
Danach formulierte der Ärztliche Direktor des Klinikums seinen Traum: "Ein Aufsichtsrat des Klinikums, besetzt mit unabhängigen Experten aus den Bereichen Wirtschaft und Gesundheit." Der Professor beinahe resignierend: "Das wird wohl nur ein Traum bielben."
Am Ende dankte Prof. Dr. Holstege dennoch "den Mitgliedern des Aufsichtsrats, die wahrlich keine leichte und auch nicht leicht zu nehmende Aufgabe haben". Er dankte dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats, Oberbürgermeister Hans Rampf und dem stellvertretenden Vorsitzenden, Stadtrat Helge Teuscher. Weiter dankte er dem Freundeskreis des Klinikums (Stadträtin Gabi Sultanov und Ludwig Schneider) und den vielen Helfern bei den grünen Damen und Herren.
Dank sagte der Ärztliche Direktor natürlich auch allen Mitarbeitern des Klinikums für ihren großen Einsatz und ihre erfolgreiche Arbeit.
Schließlich wünschte Prof. Dr. Axel Holstege allen anwesenden Gästen "ein zufriedenes, erfolgreiches und gesundes Neues Jahr".
Es prasselte reichlich Beifall. Enige erhoben sich dazu sogar von ihren Sitzplätzen. Der gertenschlanke Ärztliche Direktor blieb dann bis zum Ende unter den Gästen als charmanter, eleganter Plauderer mit Humor und Witz. Hin und wieder, ließ er uns wissen, vermisse er in seiner spärlichen Freizeit das Fußballspielen. Er war ehemals rechter Läufer und wohl auch eine Art Spielmacher auf dem grünen Rasen. Ja, zuletzt in Regensburg, wo er tätig war, habe er noch in der Ärztemannschaft gekickt./hs