Peter Weismann widmet jedem einzelnen Menschen, der auf der Flucht, im Krieg, an Armut oder Hunger ertrunken, verdurstet oder erschlagen wurde einen Kieselstein. - Foto: Christine Landinger
Landshut - pm (19.05.2020) Mare Nostrum nannte die italienische Regierung die humanitäre Mission zur Seenotrettung von Migranten. Als sie im Oktober 2014 eingestellt wurde, weil sich die europäischen Regierungen für Abschottung, Grenzsicherung und Zurückweisung entschieden, hatte sie etwa 130.000 Menschen vor dem Tod bewahrt.
Bis heute sind aber wegen unterlassener Hilfeleistung zehntausende Menschen auf ihrer Flucht vor Krieg, Armut und Hunger umgekommen und täglich werden es mehr.
Peter Weismann stellt sich künstlerisch diesem Vermächtnis der Toten an die Gegenwart. In seiner Installation, die ab 19. Mai in der Rochuskapelle in Landshut zu sehen ist, widmet er jedem Einzelnen der ertrunkenen, verdursteten oder erschlagenen Menschen einen Kieselstein, graviert mit dem Namen oder einem NN (no name). In der Rochus-Kapelle von Landshut fügen sich die gravierten Steine zu einer Mauer, die die abstrakte, unfassbare Zahl der Toten sinnlich begreifbar darstellt und zugleich den Preis der Festung Europa symbolisiert.
Bereits seit Januar 2020 arbeitet Peter Weismann in der Rochus-Kapelle an der Installation Festung Europa, einer weiteren Station seines weiträumig angelegten Projektes „Mare Mostrum längs der Isar“, das sich künstlerisch mit dem Thema Migration auseinandersetzt. Die Arbeit im öffentlichen Raum gehört essentiell zu Weismanns künstlerischem Vorgehen – doch kurz nach dem Beginn wurden die Ausgangsbeschränkungen aufgrund der Corona-Seuche erlassen und Haus International, das den Künstler mit Mare Mostrum nach Landshut in die Rochus-Kapelle eingeladen hatte, stellte den öffentlichen Betrieb ein. Das bedeutete für ihn: Er konnte zwar in der Rochus-Kapelle weiter an der Installation arbeiten, aber die Öffentlichkeit war ausgeschlossen.
Nun wird die Installation Festung Europa endlich im öffentlichen Raum von Landshut sichtbar.
Öffnungszeiten: Die Rochuskapelle ist Montag bis Samstag (außer an Feiertagen) von 14 bis 17 Uhr für Besucher geöffnet. Auf Grund der aktuellen Bestimmungen dürfen sich gleichzeitig nur drei Personen in der Rochuskapelle aufhalten. Das Tragen einer Gesichtsmaske ist verpflichtend.
Auf der Website finden Sie mehr Informationen zum Projekt: https://mare-nostrum-landshut.de
Mare Nostrum ist der Titel der Installation von Peter Weismann. Die Installation entwickelt sich aus den jeweils örtlich vorgefundenen Materialien und Gegebenheiten. In diesem Sinne ist der künstlerische Vorgang nicht planbar, hat aber als Ausgangspunkt die UNITED-Liste der Toten, die 2018 unter dem Titel „Todesursache: Flucht“ herausgegeben wurde. Sie versammelt die in Europa, Afrika und der Levante dokumentierten Todesfälle von Menschen auf der Flucht.
Über 35.000 Menschen listet sie auf zusammen mit dem meist Wenigen, was über sie bekannt ist. Die meisten sind namenlos, nur eine Zahl. Jedem Einzelnen dieser Menschen widmet Mare Mstrum einen Kieselstein, graviert mit dem Namen oder einem NN (no name). Diese Steine werden entlang der Wanderwege an der Isar von der Quelle bis zur Mündung in Form einer ständig sich wandelnden Skulptur platziert.
Peter Weismann über sich: Aufgewachsen nach dem Krieg, hineingewachsen in das Bewusstsein der Katastrophe des Dritten Reiches und in das Wissen um die Schicksale der Verfolgten, aufgewachsen in der Nachbarschaft mit Vertriebenen aus dem Osten und Gastarbeitern aus dem Süden, die das Land bereichert haben, schäme ich mich für eine Politik in diesem Land, die ihre geschichtliche Verantwortung an den Ursachen für die Flucht von Menschen in anderen Teilen der Erde leugnet.