Nach langen, teils erbittert geführten Verhandlungen und Diskussionen wurde das wohl bekannteste Werk des Landshuter Bildhauers Fritz Koenig im öffentlichen Raum an seinen nun wohl endgültigen Platz im Battery Park, Manhattan, New York aufgestellt. Die monumentale „Große Kugelkaryatide New York“, die rund 40 Jahre die Plaza des World Trade Centers prägte, hatte in der Vergangenheit immer wieder in der amerikanischen Gesellschaft reichlich für Diskussionsstoff gesorgt. In einer Flut von Blogs und Leserbriefen brachten amerikanische Bürger ihre Argumente einmal für die Aufstellung der durch die Anschläge vom 11. September stark versehrten Kugelkaryatide im Battery Park oder für die Rückführung an den ursprünglichen Standort auf dem Gelände des heutigen World Trade Center – Memorials vor.
In diesen Tagen hat die Kugelkaryatide ihren Platz einige Meter neben ihrer Aufstellung im Battery Park gefunden.
„The Sphere“, wie die Amerikaner die Kugelkaryatide nennen, hat dabei durch ihr Schicksal eine zeitgeschichtliche Bedeutungserweiterung erfahren, die ihrem Rang als Kunstwerk des 20. Jahrhunderts eine neue Dimension verleiht.
Die Entstehung der „Großen Kugelkaryatide New York“ fällt in die späten 1960er und frühen 1970er Jahre. Zu dieser Zeit war Fritz Koenig in den USA als Künstler etabliert, sodass Minori Yamaski, der Architekt des World Trade Centers, den deutschen Bildhauer bat, eine Brunnenanlage für den Platz zwischen den beiden gerade im Bau befindlichen Türmen zu entwerfen.
Die Jahre 1968 bis 1972 gehörten ganz der Realisierung des monumentalen Werkes. Dem Bildhauer war es selbstverständlich, dass die Plastik quasi kontrapunktisch einen formalen Gegensatz zu den beiden Türmen markieren sollte.
So entschied sich Koenig für eine Kugelform, die auf einem im weitesten Sinne antropromorphen Sockel und Schaft erwächst. Auf einem ausgedehnten Brunnentisch drehte sich die Kugel innerhalb eines Tages einmal um ihre eigene Achse. Das Brunnenwasser wurde dabei in einem um die Kugel verlaufenden Ring auf eine sich an die Kugel anschließende ebene Fläche gespritzt. Dadurch sollte der Eindruck entstehen, dass die Kugelkaryatide aus dem Wasser emporsteigt.
Zur Herstellung der fast sieben Meter hohen Kugelkaryatide wurde am Ganslberg extra eine riesige Werkhalle errichtet, in der der Bildhauer in unzähligen Arbeitsschritten innerhalb eines halben Jahres ein Gipsmodell in Originalgröße anfertigte. In Einzelteile zerlegt wurde das Modell nach München in die Gießerei gebracht, dort gegossen und auf dem Ganslberg fertig gestellt.
Die vollendete Kugelkaryatide wurde über Bremen nach New York verschifft, wo sie 1972 feierlich enthüllt wurde. Percy Adlon hat die Entstehung und das Schicksal der Kugelkaryatide in seinem Film „Koenigs Kugel“ aus dem Jahr 2002 bewegend dokumentiert. Er blickt Fritz Koenig buchstäblich über die Schulter und lässt den Künstler bei der Wiederaufstellung des Werkes nach den Anschlägen zu Wort kommen.
Durch die Terroranschläge vom 11. September 2001 veränderte sich die Wahrnehmung der Kugelkaryatide, die durch das Zusammenstürzen der beiden Gebäudetürme in Mitleidenschaft gezogen, aber nicht zerstört wurde, sodass sie im Battery Park wieder aufgestellt werden konnte.
Die Kugelkaryatide wurde zu einem lebendigen Ort der Erinnerung. Sie ist der Ort, an dem Menschen ihren Angehörigen und Freunden gedenken. Hier können sie in sich kehren, verstehen und akzeptieren. Die Kugelkaryatide ist greifbar, sie ist verortbar und sie ist visuell sichtbar und ermöglicht dadurch eine Erinnerung über ein Symbol. Durch das Gehen an einen bestimmten Ort wird der Alltag zurückgelassen, die Kugelkaryatide ermöglicht einen eigenen Raum der Erinnerung in Distanz zu den alltäglichen Geschehnissen und dennoch ist sie durch die Platzierung in einem öffentlichen Park mitten in das Leben der Menschen eingebettet.
Die Kugelkaryatide ist aber nicht nur Symbol für Tod, Trauer und Schmerz, sie ist auch Hoffnung und Sinnbild für das Wiederaufstehen einer Nation. Versehrt aber nicht zerstört steht sie im Battery Park und kann damit mit der amerikanischen Gesellschaft in Verbindung gebracht werden, die durch die Anschläge erschüttert wurde, aber aus ihrer Trauer wieder neu aufstand.
Die „Große Kugelkaryatide“ ist weit mehr als ein Kunstwerk. Sie hat einen hohen emotionalen Wert, ist mit Gefühlen der Trauer und der Hoffnung eng verbunden und hat dennoch auch einen ganz objektiven Charakter, wenn sie Zeitzeuge der Geschichte ist.
Es gibt wohl kaum ein Kunstwerk unserer Zeit, das derartig emotional aufgeladen ist wie „The Sphere“, was der Skulptur eine herausragende Stellung in der Kunst und in der Gesellschaft einbringt.