Sollte es einmal "5 vor 12" läuten, muss ein Katastrophenschutzplan funktionieren. Funktioniert er? - Fotos: W. Götz
Landshut – gw (01.03.2019) Das Thema war ernst, die Debatte amüsant. Es ging darum, wie wird Landshut evakuiert, wenn in den nahen kerntechnischen Anlagen Ohu/Niederaichbach ein Störfall eintritt? Die amüsante Note an der Debatte lässt sich leicht erklären: Im Umweltsenat glaubt keiner ernsthaft daran, dass das was vorgesehen ist, im Ernstfall funktioniert. Es ging unter anderem um Busse, Bahnen, Jodtabletten und den FC Bayern.
Konkret lautete der Tagesordnungspunkt: „Alarm und Einsatzplan, Maßnahmen des Katastrophenschutzes bei kerntechnischen Notfällen“. Fachbereichsleiter für Zivil- und Katastrophenschutz, Johann Heinrich, trug aus dem umfangreichen Einsatzplan für den Fall der Fälle vor. Dabei beschränkte er sich auf einige Überschriften, des umfangreichen Plans.
Sollte ein „schnell eintretendes Ereignis“ eintreten, dann müssten in Landshut 72.000 Menschen aus der sogenannten Mittelzone in Sicherheit gebracht werden. Zum Beispiel in Richtung Ammersee oder nach Regensburg. Es wird davon ausgegangen, dass 52.000 Bürger sich selbst mit Autos aus der Zone bringen. Für den Rest sind Bustransfers vorgesehen.
„Wo die Busse herkommen, das kann ich Ihnen nicht sagen“, erklärte Heinrich. Diese werden von der Regierung organisiert. „Ich selbst habe nur Zugriff auf die Busse der Stadtwerke“.
Elke März-Granda (ÖDP) fühlte nach: „Macht es Sinn in eine Richtung zu evakuieren, wenn man die Windrichtung nicht kennt?“
Auch Rechtsdirektor Harald Hohn zeigte seine Zweifel: „Wir haben nicht nur Busse, sondern auch Bahnen.“ Doch ein Transport per Bahn wird im Katastrophenschutzplan nicht vorgesehen.
Auloh wird beispielsweise Richtung München evakuiert, der Landshuter Westen nach Regensburg. Ob das nicht andersherum besser wäre, wollte Rudolf Schnur (CSU) wissen. Das sind Vorgaben des Ministeriums, ließ Johann Heinrich wissen. Insgesamt sollen 300 Busse im Pendelverkehr eingesetzt werden, aber ob die Busfahrer für die nächste Tour zurückkommen, wollte im Umweltsenat niemand so recht glauben.
Wie steht es um Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser und Altenheime, wollte Hedwig Borgmann (Grüne) wissen. Diese werden an die jeweiligen Evakuierungsverteilstellen evakuiert, so Johann Heinrich.
Seitens der Verwaltung und des Umweltsenats bestehen Zweifel, ob die Evakuierung von Landshut reibungslos klappt. Von links: Rechtsdirektor Harald Hohn, Sitzungsleiter Bürgermeister Dr. Thomas Keyßner, Katastrophenschutzleiter Johann Heinrich.
Überhaupt stellte sich die Frage, warum nicht in die Allianz-Arena des FC-Bayern evakuiert wird. Dort hätten 72.000 Menschen Platz, stehen Busse, Bahnen und medizinische Einrichtungen zur Verfügung.
Und insgesamt wurde allen Anwesenden klar, dass bei einem schnell eintretenden Ereignis der Plan „erhebliche Mängel“ aufweist. Dazu Karina Habereder (JL): Man sieht wunderbar, wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen. Es bricht Panik aus und dann funktioniert gar nichts mehr.“ Bürgermeister Dr. Thomas Keyßner fügte an: „In der Theorie hackt es erheblich“.
„Der Plan wurde geübt“, so Johann Heinrich. Damit waren die Alarmketten gemeint, die ausgelöst werden. „Aber es lässt sich nicht üben, wie der Mensch in Panik reagiert.“ Eine telefonische Alarmkette setzt ein funktionierendes Telefonnetz voraus“, gab Robert Mader (FW) zu bedenken. Dazu Johann Heinrich: „Wir haben in der Hauptfeuerwache Notstrom, aber ob der Anruf auch ankommt, das weiß ich nicht, das ist im Plan nicht vorgesehen.“
Wie es mit Ausgabestellen von Jodtabletten aussieht, interessierte Elke März-Granda. Im voraus können die in der Hauptfeuerwache eingelagerten Tabletten nicht ausgegeben werden, da sie sich im Besitz des Freistaats Bayern befinden. Im Ernstfall werden die Tabletten zu den Feuerwachen der Stadtteile und Apotheken gebracht, berichtete Heinrich.
Es durfte gelacht werden im Umweltsenat, denn Rudolf Schnur schlug erheiternd vor, „ob es nicht besser wäre, den Landshuter Neubürgern gleich Jodtabletten als Begrüßungsgeschenk auszuhändigen.“
Auch Anja König (SPD) kann an die Funktionalität des Plans nicht glauben. „Gibt es jemanden, der so etwas schon einmal praktisch miterlebt hat? Wenn 52.000 Bewohner mit Autos unterwegs sind, geht nichts mehr!“
Heinrichs Kommentar dazu: „Ob Fachleute oder Praktiker am Werk waren, kann ich nicht sagen. Das Regelwerk zur Evakuierung Landshuts wurde nach dem GaU in Fukuschima jedenfalls überarbeitet. Der Plan wurde von Experten erstellt.“ Darauf nannte Rudolf Schnur den Plan „ein Feigenblatt eine große Beruhigungspille.“
Abschließend verglich Harald Hohn das Szenario mit einem Heimspiel des FC Bayern. „Da sind 75.000 Zuschauer und die werden in einer halben Stunde abtransportiert. „Daher soll die Bahn aus dem Evakuierungsplan nicht ausgeblendet werden.
Dieser Wunsch wurde im Umweltsenat beschlossen. Das Ministerium möge doch bitte die Bahn in den Evakuierungsplan mit einbeziehen.