Vertreter von Jugendämtern, Anwälte, Richter und Ergänzungspfleger diskutierten am Landratsamt Landshut intensiv über den „Umgang mit dem Umgang“.
Landratsamt - pm (16.12.2019) Die Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien hat unterschiedliche Gründe. Hierbei ist eine Aufrechterhaltung der Kontakte zwischen Kindern und Herkunftseltern, solange es dem Kindeswohl dienlich ist, sehr wichtig. Dies geschieht in Form von Umgangskontakten. Nun stellt sich die Frage, ob ein Umgangskontakt immer auch dem Kindeswohl entspricht.
Das betroffene Kind aber auch die leiblichen Eltern, haben ein Recht auf Umgang. Wichtig ist hierbei jedoch, dass der Fokus jederzeit auf dem kindlichen Wohlbefinden liegt. Ist dies immer der Fall? Hier spalten sich die pädagogischen und gerichtlichen bzw. gesetzlichen Ansichten. Aus diesem Grund hat das Kreisjugendamt im Landkreis Landshut eine Fortbildungsveranstaltung für andere niederbayerische Jugendämter organisiert. Als Referenten konnten sie die Diplompädagogin Dr. Mériem Diouani-Streek, die Familienrichterin Christine Kleine sowie der Direktor des Amtsgerichtes Freising, Dr. Christian Seiler, gewinnen.
Aus Sicht der Familienrichter ist ein Umgang mit den Kindeseltern dem Kindeswohl stets förderlich. Die oberste Devise der Jugendhilfe ist deshalb, die Herkunftsfamilie soweit zu unterstützen und stabilisieren, dass diese ihre Erziehungsaufgabe wieder selbstständig wahrnehmen können und es somit das Kind zurückkehren kann. Damit dies möglich ist, sollte stets die Bindung zu den leiblichen Eltern aufrechterhalten werden, in Form regelmäßiger Kontakte und Treffen.
Aus psychologischer Sicht hingegen bringt der Umgang mit der Herkunftsfamilie für das Kind nicht nur positive Erfahrungen mit sich, sondern des Öfteren auch eine neuerliche Traumatisierung. Mit den Begegnungen wird oftmals an die Geschehnisse der Vergangenheit erinnert, sodass das Kind auf die Umgangskontakte teils sehr auffällig reagiert. Ein Grund hierfür kann sein, dass nicht immer eine positive Bindung zu den leiblichen Eltern bestand, denn teilweise machen Kinder erst in der Pflegefamilie zum ersten Mal die Erfahrung einer positiven Bindung.
Aus diesem Grund ist genau zu beurteilen, ob und in welchem Umfang ein Treffen mit den Eltern der Stabilisierung des Kindes dient oder sich tendenziell eher negativ auswirken kann. Denn ein Leben „zwischen zwei Familien“ kann sehr belastend für das Kind sein und die Energie, die es zur physischen sowie auch psychischen Entwicklung benötigt, aufbrauchen. Hier appellierte die Referentin Diouani-Streek, dass auch der Kindeswille Grundlage dieser Entscheidungen sein muss. Sollten die Zeichen deutlich dafür sprechen, dass ein Kontakt mit den leiblichen Eltern nachteilige Folgen für die Entwicklung des Kindes haben würde, können und sollen die Beteiligten einen Umgangsausschluss beim Familiengericht beantragen. „Wichtig ist darauf zu reagieren, was für das Kind zum aktuellen Zeitpunkt am besten ist“. Diese Prämisse wird auch als „lebenslauforientierter Kinderschutz“ definiert, so die Referentin.
Fakt ist jedoch, dass bis dato noch keine gesetzlichen Regelungen des Umgangsrechts für ausschließliche Pflegekinder bestehen, sondern eine übergreifende Regelung für Trennungs- und Scheidungskinder auch bei den Pflegekindern angewandt wird – auch wenn sich die Ausgangslagen vollkommen unterschiedlich gestalten.
Im Anschluss fand ein reger Austausch zwischen verschiedenen Beteiligten statt, Vertreter der Jugendämter, Anwälte, Vormünder und Ergänzungspflegern oder Richtern diskutierten offen über diese schwierige Thematik. Denn oft stimmen die psychologischen Anforderungen des Einzelfalls nicht mit den gesetzlichen Bestimmungen überein, sodass es keinen einheitlichen Lösungsansatz gibt – denn jedes Schicksal ist so individuell mit das Kind selbst.