Der legendäre „Zug der 41 Glasmacher“ machte vor 75 Jahren Station bei SCHOTT in Landshut.
Landshut – pm (17.07.2020) Am 25. und 26. Juni jährte sich beim internationalen Spezialglashersteller SCHOTT der sogenannte „Zug der 41 Glasmacher“ von Jena nach Westdeutschland zum 75. Mal. Im Sommer 1945, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, wurden die klügsten Köpfe des damaligen Jenaer Weltunternehmens in den Westen gebracht.
Diese von der US-Militärführung in Europa angeordnete Aktion brachte analog zur Teilung Deutschlands auch für SCHOTT die Spaltung in Ost und West. Erst mit der deutschen Wiedervereinigung überwand das Unternehmen die jahrzehntelange Teilung und machte Jena wieder zu einem Teil des SCHOTT Konzerns. „Der Zug der 41 Glasmacher und die nachfolgende Spaltung waren der tiefste Einschnitt in unserer über 130-jährigen Firmengeschichte“, erklärt Dr. Frank Heinricht, Vorsitzender des Vorstandes der SCHOTT AG, mit Blick auf den Jahrestag.
Landshut war eine Station dieses legendären Zuges. „Der Standort spielte eine wichtige Rolle beim Neubeginn von SCHOTT in der neuen Heimat“, weiß Christian Geiger, SCHOTT-Standortleiter in Landshut. Hier gründete SCHOTT vor nunmehr 79 Jahren eine Produktionsstätte. Sie bediente ein neues Geschäftsfeld, das bis heute maßgeblich für den guten Ruf des Standorts steht: die Herstellung vakuumdichter Glas-Metall-Komponenten für die Elektronikindustrie.
Am früheren Stammsitz Jena endete am 13. April 1945 die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus mit dem Einmarsch amerikanischer Truppen, wenige Wochen vor dem offiziellen Kriegsende. Weil Thüringen aber zur sowjetischen Besatzungszone gehören sollte, mussten sich die US-Truppen wieder zurückziehen. Allerdings wollten die Amerikaner das Know-how von SCHOTT als einer der führenden Spezialglashersteller weltweit für sich und den Westen sichern. Nach dem Motto „We take the brain“ entschieden sie deshalb kurzerhand, die Geschäftsleitung und ausgewählte Spezialisten mit in den Westen zu nehmen. Die Betroffenen hatten keine Wahl, sich dem Befehl des amerikanischen Hauptquartiers zu widersetzen.
SCHOTT in Landshut ca. 1949
Am 25. und 26. Juni 1945 setzten sich zwei Trecks aus amerikanischen Militärlastwagen mit unbekanntem Ziel in Bewegung. An Bord waren 41 SCHOTT Mitarbeiter und ihre Familien, insgesamt 145 Männer, Frauen und Kinder. Dazu gehörte auch Geschäftsleiter Erich Schott, der Sohn des Firmengründers Otto Schott. Die amerikanischen Soldaten brachten die „41 Glasmacher“ zunächst in ein Lager nach Heidenheim an der Brenz in Württemberg, von wo aus sie später auf Ortschaften in der Umgebung verteilt wurden.
In Heidenheim begann für die „41 Glasmacher“ eine Zeit der Ungewissheit, zunächst durchaus mit der Hoffnung, wieder nach Jena zurückkehren zu können. Ab Sommer 1946 nahmen sie in den bestehenden SCHOTT Werken Zwiesel im Bayerischen Wald, Mitterteich in der Oberpfalz und Landshut schrittweise die Glasproduktion wieder auf. Als das Stammhaus in Jena schließlich 1948 enteignet und in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt wurde, und als ein Jahr später die beiden deutschen Staaten gegründet wurden, stand fest: Eine Rückkehr nach Jena war ausgeschlossen.
So wurde Landshut 1948 vorübergehend Rechtssitz des Unternehmens. Ebenso befand sich in dieser Zeit das zentrale Entwicklungslabor von SCHOTT in Landshut. Nach der Eröffnung eines neuen Hauptwerkes in Mainz im Jahr 1952 verlegte SCHOTT seinen Unternehmenssitz von Landshut nach Mainz. Dort endete schließlich der „Zug der 41 Glasmacher“ nach sieben Jahren Odyssee.
Der Standort Landshut hat sich seitdem zum Kompetenz- und Innovationszentrum des Geschäftsbereichs Electronic Packaging (EP) entwickelt. „Heute ist SCHOTT EP ein führender Entwickler und Hersteller von Komponenten für den zuverlässigen und langfristigen Schutz sensibler Elektronik“, so Christian Geiger. Neben dem Standort Landshut betreibt der Geschäftsbereich Electronic Packaging fünf weitere Produktionsstandorte in Europa, Asien und in den USA. Bei SCHOTT in Landshut sind mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigt.