München – pm (16.12.2022) Die Arbeit der Unabhängige Kommission (UAK) basierte bisher auf einer eigenen Analyse der organisatorischen Strukturen in der Erzdiözese, die sexuellen Missbrauch ermöglicht oder erleichtert oder dessen Aufdeckung erschwert haben. Darüber hinaus nutzte die UAK die Ergebnisse und Empfehlungen der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), die in ihrem aufwändigen Gutachten zwei zentrale Aufgaben der UAK bereits im Auftrag der Erzdiözese erarbeitet hat.
Dass die UAK sich ausschließlich mit der Situation in der Erzdiözese beschäftigen und damit zügig sehr konkrete Veränderungen anstoßen konnte, war dabei sowohl für die Mitglieder der UAK als auch für viele Betroffene befriedigend.
Insgesamt wurden an die Erzdiözese mittlerweile drei Empfehlungsschreiben mit insgesamt sieben Empfehlungen übermittelt (s. Anlage), ein viertes Schreiben ist im Entstehen und wird
– wie von einer großen Gruppe von Betroffenen hier in der Erzdiözese formuliert – die „Empfehlung zur Überarbeitung der Arbeit der Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA)“ zum Inhalt haben: dass z.B. eine große Gruppe von Betroffenen in Anerkennung ihres Leids letztlich nur einige Tausend Euro bekommt, wird von den Betroffenen erneut als Kränkung erlebt. Dass zusätzlich auch noch unterschiedlich hohe Summen ausgezahlt werden, ohne dass transparent dargestellt wird, weshalb, ist für die Betroffenen ebenfalls nur schwer zu ertragen. Eine Begründung für diese Entscheidung ist aus Sicht der UAK das Mindeste, was man erwarten kann und muss. Da die dafür zuständige Kommission für Anerkennungsleistungen zentral für alle (Erz-)Diözesen in ganz Deutschland arbeitet und nicht allein für die Erzdiözese München und Freising, ist in diesem Bereich eine Veränderung sowohl für die UAK München und Freising als auch für die Erzdiözese schwieriger durchzusetzen.
Haltung der Erzdiözese
Die Erzdiözese München und Freising zeigte sich während des gesamten bisherigen Prozesses sehr konstruktiv und kooperativ. Die Empfehlungen der Kommission wurden unverzüglich aufgenommen und mit hoher Priorität umgesetzt. Die Kommission hat den Eindruck gewonnen, dass die Verantwortlichen der Erzdiözese ehrlich bestürzt sind über das Verhalten der Institution Katholische Kirche in der Vergangenheit gegenüber den Betroffenen und dass sie ernsthaft bemüht sind, das begangene Unrecht aufzuarbeiten und durch umfangreiche Unterstützungsangebote und angemessene Anerkennungsleistungen zu einer gewissen Heilung beizutragen.Bereits seit 2010 hat die Erzdiözese eine Vielzahl von tiefgreifenden strukturellen Veränderungen veranlasst, die dazu geführt haben, dass Missbrauchsfälle inzwischen transparent gehandhabt und immer zur Anzeige gebracht werden und dass künftiger Missbrauch durch eine aufwändige Präventionsarbeit so weit wie möglich verhindert wird. Diese Entwicklung ist auch im WSW-Gutachten bereits positiv erwähnt worden.
Tag der Begegnung mit Betroffenen
Das größte Anliegen der UAK nach Veröffentlichung des WSW-Gutachtens war, in ein offenes Gespräch mit möglichst vielen Betroffenen in der Region zu kommen, weil der Betroffenenbeirat in der Erzdiözese selbst leider nur aus vier Personen besteht. Dazu hat die UAK einen ,Tag der Begegnung‘ in München veranstaltet. Dabei waren die Ziele der UAK:
- aufzuzeigen, welche finanziellen, strukturellen, therapeutischen und beraterischen Angebote die Erzdiözese mittlerweile für die Betroffenen bereitstellt;
Gesprächsangebote zu machen: dass Betroffene sich untereinander austauschen können, dass sie alle für sie wichtigen inner- und außerkirchlichen Ansprechpartner sowie Mitglieder des - Betroffenenbeirats und der UAK kennenlernen und sprechen können und v.a. dass sie Gelegenheit haben, mit Kardinal Reinhard Marx, Generalvikar Christoph Klingan und Amtschefin Dr. Stephanie Herrmann persönlich unter vier Augen zu sprechen und ggf. auch Folgetermine zu vereinbaren.
- zu hören, welche Anliegen diese Betroffenen an die UAK und die Erzdiözese für die weitere Aufarbeitungsarbeit haben und was ihnen persönlich für eine gewisse ‚Wiedergutmachung‘ helfen würde.
Die Veranstaltung fand am 23. September in der Hanns-Seidl-Stiftung statt, es kamen 56 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Rückmeldungen in der Evaluation waren sowohl in Bezug auf die Veranstaltung wie auch allgemein zur Arbeit der UAK außerordentlich positiv und ein Ansporn für die UAK, auf diesem Weg weiter zu arbeiten.
Beschreibung der Institution der UAK
Die UAKs entstanden als Folge der so genannten ‚Gemeinsamen Erklärung‘ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung und der Deutschen Bischofskonferenz, in der sich die deutschen Bischöfe verpflichteten, die Aufarbeitung nach Kriterien durchzuführen, die mit dieser Stelle der Bundesregierung vereinbart wurden. Der Staat ist also – entgegen häufigen Äußerungen in der Öffentlichkeit – bereits in die Aufarbeitung involviert. Die Mitglieder der UAKs wurden deshalb nicht von der Kirche, sondern in der Regel von der Staatskanzlei benannt und können durch ihre regionale Struktur für jede Diözese passende, individuelle Veränderungen schnell und unkompliziert durchsetzen. Die Mitglieder der UAK München und Freising haben eine hohe berufliche Expertise im Bereich sexueller Missbrauch, als Psychiater, Jurist, Psychologin und Ärztin. Die Arbeit wird außerdem von verschiedenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats, einem Vorstandsmitglied des Diözesanrats, sowie einem Vertreter der Diözese begleitet.
Die UAK arbeitet ehrenamtlich und unabhängig, auch wenn sie im Organisationsrahmen der Erzdiözese aktiv ist.
Die UAKs sind keine Interessensvertretung der Betroffenen; dies ist der Betroffenenbeirat. Sie setzen sich für eine Aufarbeitung im gesamtgesellschaftlichen Interesse ein.
Vorhaben für die weitere Arbeit
Die UAK München und Freising wird mit ihrer Arbeit auch in den nächsten eineinhalb Jahren die Erzdiözese dabei unterstützen, die Anliegen der Betroffenen aufzugreifen und zügig Lösungen für die noch nicht realisierten strukturellen Empfehlungen der Kanzlei WSW zu erarbeiten.
Darüber hinaus erhofft sie für die Zukunft von allen Beteiligten aus Politik, Gesellschaft und Presse eine sachliche, konstruktive Auseinandersetzung mit diesem Thema, die das Unrecht der Vergangenheit klar anspricht, aber auch die gegenwärtigen Bemühungen der katholischen Kirche anerkennt. Die katholische Kirche in der Erzdiözese München und Freising wie in ganz Deutschland hat – bei allem Fehlverhalten in der Vergangenheit – durch ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem UBSKM der Bundesregierung und die Einrichtung der UAKs schnell konkrete Veränderungen realisiert. „Dies hat dazu geführt, dass die katholische Kirche in ihrem Aufarbeitungsprozess weit vorangeschritten ist - im Unterschied zu anderen Institutionen (Schulen, Sportvereinen, Jugendorganisationen, etc.), ja dem Staat selbst, der seinem ‚Wächteramt‘ in den vergangenen Jahrzehnten leider auch nur unzureichend nachgekommen ist“, sagt in diesem Zusammenhang Michaela Huber, Vorsitzende der UAK München und Freising.
„Die UAK wird sich – ihrem gesellschaftlichen Auftrag entsprechend – auch weiterhin dafür einsetzen, nicht nur den Betroffenen gerecht zu werden, sondern auch den laut MHG-Studie 95 Prozent ‚Nicht-Tätern‘, also den engagierten, im Dienst am Menschen arbeitenden Klerikern und kirchlichen Mitarbeitern, die an vielen Stellen gute Arbeit leisten. Auch all den Menschen, für die die Kirche, Religion und Glaube wichtig sind, fühlen wir uns verpflichtet.“, so Huber weiter. „Daher ist es uns ein Anliegen, auch über die konkret erfolgten umfangreichen strukturellen Veränderungen diesbezüglich und die insgesamt positive Entwicklung in der Erzdiözese München und Freising gut zu informieren“, ergänzt Huber.