Jeder Bahnreisende hat das Stellwerk in Landshut schon gesehen. Das große Gebäude westlich des Bahnhofs ist die Drehscheibe für den gesamten Eisenbahnverkehr in und um Landshut. Hinter der großen, verspiegelten Fensterfassade im zweiten Stock sorgen die Fahrdienstleiter mit kühlem Kopf für einen reibungslosen Verkehr auf den Gleisen. Seit 30 Jahren werden von dort die Weichen und Signale gestellt.
Immer mehr Reisende in Deutschland entscheiden sich für die Züge der Deutschen Bahn. In den ersten sechs Monaten des Jahres 2012 erhöhte sich die Zahl der Fahrgäste gegenüber dem ersten Halbjahr 2011 um fast 40 Millionen auf über eine Milliarde Reisende. Das bedeutet einen Zuwachs von rund vier Prozent. Die Verkehrsleistung der DB-Netz betrug dabei 518,5 Millionen Trassenkilometer. Im Schienenverkehr erwirtschaftet das Unternehmen heute etwa die Hälfte des Gesamtumsatzes.
Einen enorm wichtigen Teil tragen hierzu die Fahrdienstleiter der DB-Netz in Landshut bei, die kürzlich das 30-jährige Bestehen des Zentralstellwerkes feierten. Mit Hilfe der Relaistechnik werden seit dem 30. Juli 1982 vom Tower, im westlichen Teil des Bahnhofes Landshut gelegen, sämtliche Zug- und Rangierfahrten geplant und durchgeführt.
Die Fahrdienstleiter in Landshut stehen täglich vor neue Herausforderungen, da sie nicht nur die Züge der Deutschen Bahn sondern auch allen privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen einen freien Zugang zum Schienennetz ermöglichen müssen, was insbesondere bei Bauarbeiten oder Störungen auf benachbarten Streckenabschnitten ein nicht immer einfach zu lösendes Problem darstellt.
Umso wichtiger ist es, dass Landshut über eine ausgereifte Stellwerkstechnik verfügt. Wie der Betriebsratsvorsitzende Franz Pell bei seiner Laudatio berichtete, konnte nach dreieinhalbjähriger Bauzeit und monatelanger zusätzlicher Schulung und Ausbildung der Signaltechniker und Fahrdienstleiter das Zentralstellwerk in Landshut 1982 in Betrieb genommen werden und galt damals als eines der modernsten in Europa. Die Baukosten beliefen sich damals auf rund 17 Millionen Mark.
Von Ihrem im zweiten Stock gelegenem Arbeitsplatz aus dirigiert das Team der Fahrdienstleiter im Schichtbetrieb täglich rund 450 Reise- und Güterzüge sowohl im Bahnhof Landshut als auch auf den ferngesteuerten Bahnhöfen Ahrain und Altheim, sowie rund 500 Rangierfahrten im Bahnhof Landshut.
Die gesamte Bahnanlagen wird auf einer fast sechs Meter langen Stell- und Meldetafel schematisch dargestellt. Durch Computerbefehle werden 125 Signale, 78 Weichen und 22 Bahnübergänge gesteuert und überwacht.
Als sogenannter Knotenbahnhof werden von Landshut aus Züge in Richtung Regensburg, München, Plattling und Mühldorf auf die Reise geschickt. Auf diesen Streckenabschnitten verkehren die unterschiedlichsten Eisenbahnverkehrsunternehmer mit Ihren Reise- und Güterzügen wie die DB-Regio, die Südsost-Bayern-Bahn, der Alex, die Agilis, die DB-Cargo und die TX-Logistik.
Damit alles reibungslos läuft, ist das Stellwerk an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr besetzt, Ein Fahrdienstleiter ist für die sichere Durchführung der Zugfahrten auf den zu- und ablaufenden Gleisabschnitten sowie der sehr stark frequentierten eingleisigen Strecke nach Plattling mit den entsprechend ferngesteuerten Bahnhöfen zuständig ist. Als Tagesteamleiter disponiert und koordiniert er sämtliche Fahrten und erteilt zudem Weisungen an Lokführer. Zudem regelt in Absprache mit der Transportleitung München das Abwarten von Anschlusszügen und ist Ansprechpartner für die unterschiedlichsten Fachdienste bei Bau- und Revisionsarbeiten sowie bei Störungsbeseitigungen.
Der rechts von ihm sitzende Fahrdienstleiter leitet während seiner Schicht sämtliche Rangiertätigkeiten, stellt mit Hilfe des entsprechenden Rangierpersonals die Reisezuggarnituren auf und sorgt dafür, dass diese pünktlich am richtigen Gleis stehen.
Um all diese Aufgaben reibungslos ausführen zu können, wird seit 30 Jahren bei der Auswahl der Mitarbeiter auf absolute Teamfähigkeit und überdurchschnittliche Fachkenntnisse geachtet. Erst nach jahrelangen Aus- und Weiterbildungen sowie durch Prüfungen erfolgte Qualifikationen kann sich ein Fahrdienstleiter für Landshut bewerben. Nach einer mehrmonatlichen Einweisungszeit sind nochmals mehrere Prüfungen und Tests abzulegen.
Letztendlich gilt es, bei technischen Problemen im Zugverkehr kühlen Kopf zu bewahren und die Situation mit klaren Entscheidungen zu organisieren. Besonders auffällig ist nach Auskunft von Franz Pell hierbei eine zwischenzeitlich weit über Niederbayern hinaus bekanntgewordene Eigenart der Landshuter Fahrdienstleiter. Während man anderweitig von Teamfähigkeit und Kundenbindung redet oder diese gerade erfindet, praktiziert man selbige in Landshut zwischenzeitlich nicht nur seit 30 Jahren innerhalb des eigenen Fachdienstes, sondern lebt diese auch im gemeinsamen privaten Umfeld und gibt diese Freude an der Eisenbahnerfamilie weiter. Insbesondere bei den Lokführern hat sich dies zwischenzeitlich im gesamten süddeutschen Raum herumgesprochen. Bei größeren Bauarbeiten oder Unwetterschäden wirkt sich das gemeinsame lösungsorientierte Handeln positiv für die Bahnkunden aus. Hierbei werden die „Fdl", wie man sie im innerbetrieblichen Sprachgebrauch nennt, seit einiger Zeit durch eine neue Melde- und Übertragungseinrichtung, sowie durch Digitalfunk und einem beidseitigem Gleiswechselbetrieb Richtung München unterstützt.
Bericht und Fotos: Rösser Jürgen