Die Ina-Seidel-Straße in der Wolfgangsiedlung, gelegen zwischen zwischen August-Sperl- und Clara-Viebig-Straße. - Foto: W. Götz
Landshut - gw (27.02.2021) „Ina Seidel (* 15. September 1885 in Halle; † 2. Oktober 1974 in Ebenhausen bei München) war eine deutsche Lyrikerin und Romanautorin (Wikipedia).“ Dieser deutschen Schriftstellerin wurde im Jahr 1999 eine Straße in der Wolfgangsiedlung gewidmet. Doch Ina Seidels Name wird mit den Greueltaten des NS-Regimes in Verbindung gebracht. Sie war Verehrerin der Nazidiktatur, wandte sich davon erst nach 1945 ab. Ob die Straße umbenannt werden soll, wurde am Freitagnachmittag (26.02.) im Stadtratsplenum leidenschaftlch und kontrovers diskutiert.
„Ina Seidel war eine glühende Hitler-Anhängerin, es ist unverständlich, dass in Landshut eine Straße nach einer echten Anhängerin (nicht nur Mitläuferin) benannt ist. Landshut bekennt sich zu einer offenen und bunten Kultur. Dazu gehört auch, dass wir glühende Anhänger*innen des Nationalsozialismus nicht auch noch ein falsches Denkmal setzen.“ So lautet der Antrag der drei SPD-Stadträte Patricia und Gerd Steinberger, Anja König sowie Falk Bräcklein (mut) von 12. Juni 2020. Im Kultursenat wurde das Anliegen am 11. Februar mit 6:5 Stimmen abgelehnt. Per Nachprüfungsantrag war es nun die Aufgabe aller 44 Stadträte darüber neu zu entscheiden.
Stadtarchivar Gerhard Tausche fasste knapp zusammen: Ina Seidel war während des NS-Regims offene Hitler-Bewunderin. Nach 1945 distanzierte sie sich deutlich vom Nationalsozialismus. Zudem führe eine Umbenennung einen ungeheuren Aufwand für die Adressänderungen für die 89 Personen (16 Hausnummern) nach sich, die in der Straße wohnen.
In der Landshuter Straßenbeschreibung wurde seitens der Stadt die Hitler-Zeit weggelassen. Dort wird sie als Schriftstellerin geführt ohne auf einen Verweis auf ihre Nazivergangenheit, eröffnete Anja König (SPD) die Aussprache. Was die Adressänderungen anbelangt, könne die Stadt die Anwohner mit entsprechenden Blankoschreiben für Versicherungen, Telefonanbieter etc... helfen und das Umschreiben von Ausweisen kostet nichts, so König. „Wir haben eine Straße für eine Person, die eine glühende Verehrerin des NS-Regims war, kritisierte Patricia Steinberger (SPD) die Namensgebung. „Wir hätten viele ehrenwerte Landshuter, die für die Straße Paten sein könnten.“
Für Dr. Thomas Keyßner (Grüne) steht fest: „Ina Seidel war eine Nazischriftstellerin. Entscheidend ist, was bis 1945 war. Ich halte es für falsch, dass Nazigrößen im Stadtbild erhalten bleiben.“ „Es betrifft die gesamte Stadtbevölkerung, welche Personen wir mit Straßennamen ehren“, mahne Falk Bräcklein (mut).
„Es ist eine Schande für die Stadt, eine Nazi-Schriftstellerin zu verewigen“, erzürnte sich Gerd Steinberger und er will es nicht wahrhaben,. Dass sich Landshut als „Braunhausen darstellt“. Dr. Stefan Müller-Kroehling (ÖDP) gab sich in seinen Worten moderater: „Ina Seidel hat sich nach dem Krieg zu ihrer Schuld bekannt, das muss man ihr anerkennen.“ „Aber: Nach der Reichsprogromnacht schrieb sie glühende Gedichte für die NS-Zeit.“ Daher sollte der Fehler des Straßennamens rückgängig gemacht werden.
Aus einem anderen Winkel beleuchtete Maximilian Götz (CSU) die Debatte: Der Kultursenat hat gegen die Namensänderung gestimmt und eine Vielzahl der dort lebenden Bürger hat sich dagegen ausgesprochen. Für ihn sei das eine „Überlegung ihres linken Selbstverständnisses“, wetterte er Richtung SPD, Grüne, ÖDP und mut.
Bürgermeister Dr. Thomas Haslinger (CSU) räumte ein: „Ina Seidel stand dem Nationalsozialismus nahe und hat für den Nationalsozialismus artikuliert, aber nach dem Krieg hat sie sich davon distanziert und sich mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt.“ Dann setzte Haslinger nach: Es gab auch Leute, die heute in der SPD, bei den Grünen und in der Linkspartei sind und früher RAF-Terroristen verteidigten oder im DDR-Regim mitwirkten. Dr. Thomas Keyßer empfahl er, wenn er sich nach so vielen Jahren an dem Ina-Seidel-Schild stört, dann könne er auch aus Landshut wegziehen.
Anja König erinnerte, dass Adolf Hitler 1944 Ina Seidel Hitler in die "Gottbegnadeten-Liste" der damals sechs wichtigsten zeitgenössischen deutschen Schriftsteller aufnahm. Gerd Steinberger warnte vor den immer stärkeren rechten Tendenzen in Deutschland: „Wehret den Anfängen, wir müssen die Demokratie in unserem Land aufleben lassen.“
Dr. Stefan Müller-Kroehling versuchte die aufgeheizte Stimmung im Saal zu beruhigen: „Wir geben mit dieser Angelegenheit kein gutes Bild für unsere Bürger ab“. Für den Fall, dass es zu keiner Umbenennung der Straße kommt, regte er an, ein Zusatzschild anzubringen, das auf die Geschichte von Ina-Seidel hinweist.
Dr. Thomas Haslinger erinnerte sich seiner Worte gegenüber Dr. Thomas Keyßner und entschuldigte sich für seine „flapsige“ Bemerkung: „Es tut mir leid.“
Bei der anschließenden namentlichen Abstimmung entschied sich das Stadtratsplenum den Straßennamen Ina-Seidel beizubehalten. Dafür stimmten: Bernd Friedrich, Maximilian Götzer, Dr. Thomas Haslinger, Dr. Dagmar Kaindl, Prof. Dr. Thomas Küffner, MdL Helmut Radlmeier, Lothar Reichwein, Gertraud Rößl, Ludwig Schnur, Rudolf Schnur, Gabi Sultanow, Hans-Peter Summer, Ludwig Zellner, Ludwig Graf, Robert Mader, Klaus Pauli, Erwin Schneck, Jutta Widmann, Rainer Ecker, Wolfram Schubert, Günter Straßberger, Jürgen Wachter, Robert Neuhauser und Oberbürgermeister Alexander Putz. Alle anderen stimmten für die Änderung. Die Stadträtinnen Iris Haas und Sigi Hagl fehlten entschuldigt.