(16.07.2016) Horst Seehofer vergleicht Bayern gerne mit der Vorstufe des Paradieses. Diese blumigen Worte, wohl von einer teuer bezahlten Werbeagentur stammend, haben indes im ländlichen Raum längst einer ganz anderen Realität Platz gemacht. Unser Freistaat entwickelt sich zu einem gigantischen Saustall, aus dem die ganze Welt mit billigem Schweinefleisch und auch mit Hähnchen beliefert wird. - Die kleinbäuerliche Landwirtschaft ist lägst überall auf dem Rückzug.
Die Kernwählerschaft der Christsozialen, die im ländlichen Raum für Kultur und den Erhalt und die Pflege unserer Landschaft steht, wird durch industrielle Landwirtschaft völlig an den Rand gedrängt.
Verantwortlich dafür ist zum einen die EU, die durch eine falsche Subventionspolitik einseitig die großen Erzeuger und großen Flächenbesitzer die höchsten Zuwendungen zukommen lässt. 40 Milliarden Euro lässt sich die EU die Agrarsubventionen jährlich kosten. 0,5 % der Betriebe, nämlich die riesigen z.T. multinationalen Agrarfabriken erhalten dabei über 20 % der Gesamtförderung. Dies ist Ansporn zu weiterer Überproduktion von Fleisch und Milch. Diese Überproduktion ist ursächlich für die katastrophal niedrigen Preise in diesem Markt. Quasi ein Teufelskreis!
Als 2. Verantwortlicher ist jedoch auch der deutsche bzw. bayerische Gesetzgeber zu nennen, der landwirtschaftliche Bauvorhaben gesetzlich so privilegiert hat, dass den Baubehörden vor Ort kaum Möglichkeiten eingeräumt werden, neue und noch größere Mastanlagen zu verbieten. Immer mehr Bürgerinitiativen protestieren vor Ort gegen eine unzumutbare Geruchsbelästigung, auch in Wohngebieten, einer völligen Zerstörung ihrer einst idyllischen Umgebung. Beißender Ammoniakgeruch, Feinstaub, in die Luft freigesetzte Bakterien und eine immer höhere Nitratbelastung unseres Trinkwassers belasten mittlerweile hunderttausende unserer Bürger in Bayern und natürlich auch bundesweit. Die Politik der etablierten Parteien (die Grünen einmal ausgenommen) duckt sich weg, versucht die Bevölkerung zu beruhigen und Problemlösungen auf die lange Bank zu schieben.
Die Preise für unser Trinkwasser steigen indes ständig an. Viele Erzeuger müssen immer wieder neue und modernere Filter einsetzen, um die Nitratwerte noch im gesetzlich zulässigen Bereich halten zu können. Wasser aus verschiedenen Quellen wird dabei vermischt, um die Grenzwerte einhalten zu können. Dies alles ist teuer, der normale Kunde, der nicht für die Nitratgefahr (80% stammt von Gülle) verantwortlich ist, wird zur Kasse gebeten. Er muss darunter leiden, dass die EU und die nationale Gesetzgebung unfähig und unwillig sind, die weitere Ausweitung der Massentierhaltung, die weitere Erhöhung der Tierproduktion und den weiteren Bau von riesigen Mastanlagen endlich zu begrenzen.
Auch in Verantwortung für zukünftige Generationen muss Grundwasserschutz endlich wichtiger werden, wie die finanziellen Interessen von einigen großen Mastbetrieben in Deutschland. Diese Betriebe schaffen weder Arbeitsplätze in nennenswerter Zahl, noch bezahlen sie die teuren Wasserfilter, noch können sie Unmengen an Gülle unschädlich machen. Einen kulturellen Beitrag zu unserer Heimat kann ich auch nicht erkennen.
Als Sofortmaßnahmen müsste die Förderung kleiner Agrarflächen, kleinerer und ökologischer Tierhaltung erhöht und gleichzeitig die Förderung der Agrarfabriken so reduziert werden, dass kein weiterer Anreiz besteht, neue Anlagen in derartiger Größe zu bauen.
Gleichzeitig sollte eine Höchstgrenze der Tierstückzahl je Landkreis festgesetzt werden, abhängig von der derzeit bestehenden Nitratbelastung. Das heißt in Landkreisen mit kritischer Belastung müssen die Zahlen an Schweinen und Hühnern entsprechend reduziert werden. Dies muss von verantwortungsvoller Politik auch durchgesetzt werden. Unverbindliche Appelle der Politik würden in einer Umgebung, in der nur Gewinnmaximierung eine Rolle spielt, völlig ins Leere laufen.
Für die gesamten Agrarsubventionen und Exporterstattungen, die im Übrigen in Entwicklungsländern die dortige Landwirtschaft in die Knie zwingen (auch ein Migrationsgrund nach Europa) wäre eine schrittweise, mäßige jährliche Reduzierung mit der Rasenmähermethode dringend geboten. Es ist auch ethisch schwer zu rechtfertigen, warum wir einen EU-Hähnchenzüchter finanziell so unterstützen, dass seine am Markt in Ghana verkauften Hähnchenteile immer billiger sind, wie das gleiche Produkt des lokalen ghanaischen Erzeugers.
Text:
Christian Dettenhammer
ALFA-Landesvorstand Bayern