Landshut (25.09.2017) Großer Andrang im Klinikum: Etwa 350 Besucher sind am Samstag gekommen, um sich beim Rückentag zu informieren. Gemeinsames Anliegen aller Referenten: Eine Operation sollte immer die letzte Option sein. Was stabilisiert und stärkt den Rücken, was macht ihn geschmeidig, wie bewegt man sich im Alltag möglichst schonend?
Beim Rückentag am Samstag war nicht nur Zuhören und Informieren angesagt: Physiotherapeuten und Fitnesstrainer zeigten den Besuchern außerdem simple und effektive Übungen (siehe Foto oben) für den Rücken. Frei nach dem Motto: Mitmachen beim Rückentag, nachmachen daheim. Auch die Infotheken waren gefragt: Ergänzend zu den sechs Vorträgen konnten Interessierte ganz einfach mit Experten zu den Themen chronische Schmerzen, Arthrose und Wirbelbruch ins Gespräch kommen.
Sie fragen - wir antworten. das interdisziplinäre Expertenforum mit, von links, Privatdozent Prof. Dr. Klaus Lerch, Dr. Edda Gehrlein-Zierer, Prof. Dr. Dieter Woischneck und Lucia Jochum - Foto Klinikum
Ursachen für Rückenschmerzen gibt es viele. Darüber sprach im ersten Vortrag in der Glasdachhalle Privatdozent Dr. Klaus Lerch, der zusammen mit Prof. Dieter Woischneck das Wirbelsäulenzentrum am Klinikum leitet. Anhand eines Skeletts erklärte er, wo Rückenschmerzen entstehen können. So sind Muskelverspannungen eine der häufigsten Ursachen. Diese akuten Schmerzen verschwinden aber oft nach einigen Tagen wieder und sind relativ harmlos. Weitere Ursachen sind gedehnte Bänder, verkürzte Sehnen, Abnutzung der Wirbelsäule und auch Stress. „Die meisten Rückenschmerzen können keiner eindeutigen Ursache festgestellt werden“, so Dr. Lerch. Etwa 85 Prozent der Deutschen sind betroffen – Rückenschmerzen sind eine wahre Volkskrankheit.
„Die Zahl der Rückenoperationen nimmt zu“, erklärte Dr. Edda Gehrlein-Zierer, Leiterin der Tagesklinik für Schmerztherapie, in ihrem Vortrag. „Viele davon sind unnötig oder nicht erfolgreich, manche sind sogar schädlich.“ Die sog. multimodale Schmerztherapie kommt bei chronischen Rückenschmerzen zum Einsatz, also wenn diese mehr als zwölf Wochen bestehen. Ärzte, Psychologen, Bewegungstherapeuten und Pflegekräfte erstellen eine ausführliche Diagnose. „Der Patient steht im Zentrum“, so Gehrlein-Zierer. „Ziel ist es, den Schmerz aus dem Mittelpunkt des Lebens zu rücken.“ Die Behandlung im Klinikum erfolgt in kleinen Gruppen und dauert in der Regel mehrere Wochen. „Nur so kann eine dauerhafte Veränderung erzielt werden.“
Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die multimodale Schmerztherapie herkömmlichen Methoden überlegen ist. „Bleiben Sie aktiv!“, so Gehrlein-Zierer. „Ein aktiver Lebenswandel ist ein guter Schutz.“
Stichwort Bandscheibenvorfall: Wann soll ich mich operieren lassen? Diese Frage beantwortete in seinem Vortrag Prof. Dr. Dieter Woischneck. Das grundsätzliche Problem sei, dass man nicht voraussagen könne, ob eine Operation erfolgreich verlaufe. 80 Prozent der Betroffenen würden auch ohne Eingriff gut leben, so Woischneck. „Bei Beschwerden ist es sinnvoll, ein- bis zweimal die Woche zur Krankengymnastik zu gehen.“
Und wann ist eine Operation doch sinnvoll?
„Bei Lähmungen im Fuß und bei Blasenschwäche.“ Auch ein Wirbelbruch muss nicht immer operiert werden. „Wenn dann reichen meist kleine Schnitte“, erläuterte Privatdozent Dr. Franz Müller, Leitender Oberarzt Orthopädie und Unfallchirurgie, in seinem Vortrag. „Je kleiner der Wirbelkanal durch den Wirbelbruch wird, desto geringer der Platz für das Rückenmark und desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Lähmung. Oder: Der Gartenschlauch wird abgedrückt, es kommt kein Wasser.“
Rückenschmerzen aus physiotherapeutischer Sicht behandelte Lucia Jochum, Leiterin der Physikalischen Therapie. Sie erklärte, wie man mit einer trainierten Tiefenmuskulatur Rückenschmerzen lindert. Denn wenn das Kreuz schmerzt, arbeitet die tiefe Muskulatur verzögert. „Die beste Bremse nützt nichts, wenn man zu spät draufsteigt“, so Jochum. Um diese Muskulatur zu kräftigen, empfiehlt sie zum Beispiel Stütz-, Gleichgewichts- und Beckenbodenübungen.