Bäche voller Leben statt öder, in Betonbetten und Rohre gepresste Wasserkanäle – wie wertvoll lebendige Wasseradern für Pflanzen, Tiere und erst recht für den Menschen sind, das begreifen viele erst, wenn die Lebensadern ihren Dienst nicht mehr erfüllen können. Wissen über solche Zusammenhänge zu vermitteln, auf spielerische und damit angenehme und eingängige Weise – das ist das Ziel eines neuen Kartenspiels (Quartett):
Es soll vor allem Schüler, junge Leute und Familien ansprechen, erläuterte der Landschaftsarchitekt Helmut Wartner, der das Kartenspiel Landrat Peter Dreier vorgestellt hat. Das Landshuter Landschaftsarchitektur-Büro Wartner und Zeitzler und die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Landshut, das Wasserwirtschaftsamt Landshut und der Fischereiverband Niederbayern (FVN), die Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz (BN), Autoren und Fotografen wie der Luftbildarchäologe Klaus Leidorf – viele haben zusammengeholfen, um das Quartett entstehen zu lassen, das zunächst in einer Auflage von 3000 Stück herausgegeben worden ist.
Auch wo der Mensch Bächen und Flüssen noch den natürlichen Lauf läßt, nutzt er die Flächen zumeist bis an die Uferkante und läßt Tieren udn Pflanzen keinen Raum zum Leben und Bäumen keinen Platz zum Stabilisieren der Uferböschungen. - Bild Klaus Leidorf
Helmut Wartner, der dabei federführend war und allein 200 Arbeitsstunden in das Quartett investiert hat, machte Landrat Dreier damit sichtlich eine große Freude. Denn das Kartenspiel mit seinen vielen Illustrationen und knappen, griffigen Texten ist in gewisser Weise ein Nebenprodukt eines Gewässerschutz-Projekts für die Kleine Laaber, an dem sich zehn Gemeinden aus den Landkreisen Straubing-Boden und Landshut beteiligt hatten – unter Federführung der Gemeinde Hohenthann und ihres langjährigen Bürgermeisters Peter Dreier.
Als Landrat begrüßte Dreier nun mit großer Begeisterung und Hintergrundwissen aus dem Projekt („Hydromorphologisches Umsetzungskonzept") diese Initiative. Kinderstube der großen Flüsse und StrömeJedes Hochwasser beginne an der Quelle, und davon, wie es um die kleinen Gewässer bestellt sei, hänge zwangsläufig auch die Qualität von Flüssen und Strömen ab, stellte Dreier fest: Viel vom Zerstörungswerk der Gewässer sei von Menschenhand verursacht – zum Glück beginne man jedenfalls hierzulande vielerorts damit, umzusteuern. Es sei ein bezeichnender Zufall, dass gleichzeitig mit dem Vorstellungstermin des Quartetts eine Versammlung mit Vertretern aus allen Gemeinden im Landratsamt stattfand, in der es um die Hochwassermanagement-Richtlinie der Europäischen Union ging, ein neues Gesetz der EU.
Rund 92000 Kilometer lang sind die sogenannten „Gewässer 3. Ordnung" Bayerns, all die kleinen Bäche und Wasseradern, die die vom Menschen gestaltete Kulturlandschaft zum Blühen und Gedeihen bringen. Die Pflege dieser „Kinderstube der großen Bäche, Flüsse und Ströme" ist Pflichtaufgabe der Gemeinden. Eine Riesenaufgabe, denn der Mensch hat vielfach in die Naturkreisläufe eingegriffen, zum Schaden der Natur und zu seinem eigenen Nachteil. Der Mensch hat Bäche begradigt, die damit keiner Sturzflut mehr Widerstand entgegensetzen können; er hat ihnen steinerne Ufer verpasst, deren karge Flächen weder für Tiere noch Pflanzen Lebensraum bieten; er „ackert bis hart an den Rand der Uferböschung von Bächen, kein Zentimeter wird hergeschenkt", stellte Wartner fest.
Mineralsalze und Pestizide gelangen ins Wasser, Erdreich wird in die Bäche geschwemmt, Fischen, Krebsen, der ganzen Tierwelt wird die Luft zum Atmen genommen, langfristig wird auch das Grundwasser verseucht: So schilderte Wartner den für Flora und Fauna, aber auch für den Menschen selbst über kurz oder lang verhängnisvollen Handlungsstrang.
Probleme sichtbar machenund Lösungswege weisen
Mit der Botschaft, welchen Artenreichtum das Leben in gesunden Gewässern, ihren Ufern und Böschungen entfaltet, wie unersetzlich sie als Lebensadern der Landschaft sind und was der Mensch der Natur und damit sich selbst Gutes tun kann – mit dieser Botschaft müsse man vor allem die Herzen und Hände der jungen Menschen erreichen, machte Wartner deutlich. Also jene Menschen, von denen die älteren Generationen von heute bekanntlich die Erde nur geliehen haben, zitierte der Landschaftsarchitekt eine berühmte Sentenz. Und diese Botschaft könne man vermitteln, schilderte Wartner: Wenn er vor Schülern spreche, zeige er stets eine Zeichnung des Herzens eines Menschen, das gesund ist und durch dessen unversehrte Kranzgefäße das Blut zirkuliert und pulsiert. Es sei irgendwie erstaunlich und bezeichnend, wie dieses Bild offenbar die Botschaft sehr gut vermittle, dass wie im Körper eines Menschen auch in der Natur die Störung solcher Kreisläufe zu Krankheit und Tod führt.
Dies sei die Kernaufgabe und die -Idee hinter dem Quartett, das er als „umweltpädagogisches Kartenspiel" bezeichnete: Probleme und Fehler anzusprechen, sie den Kartenspielern vor Augen zu führen und ihnen Lösungsmöglichkeiten zu bieten, erklärte Wartner, der besonders seine enge Zusammenarbeit mit dem Naturschutzfachmann Helmut Naneder (Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt Landshut) und dem Gewässerbiologen Bertram Peters (Wasserwirtschaftsamt Landshut) bei der Konzeption des Kartenspiels hervorhob.
Pralle Wirklichkeit statt virtuelle Realität
So erfahren Spieler zum Beispiel, dass Gehölzstreifen entlang von Bächen vielen Tieren und Pflanzen Raum zum Leben bieten – und Bäume mit ihren Wurzeln zugleich die Ufer sichern und die Abschwemmung von Sand und Böden verhindern. Wie wenig Mädchen und Buben von heute von der Natur und ihren Geschöpfen wissen, das werde jedem immer wieder klar, der – wie Mitarbeiter des Landratsamts – in der Umweltbildung tätig sei, unterstrich Helmut Naneder: Die Entfremdung von der Natur habe ein beunruhigendes Maß erreicht. Kinder und junge Leute verbringen unzählige am Computer, schauen auf Sichtfelder (Displays) von PCs, Tablets und Smartphones – aber sie kommen immer weniger ins Freie, schilderte Helmut Naneder die Situation, für die es längst ein Schlagwort gibt: „Verhäuslichung".
Ein Eisvogel auf der Spielkarte des neuen Umwelt-Kartenspiels. Der farbenprächtige Kerl lebt an klaren Gewässern, in denen viele kleine Fische sind - Foto Helmut Naneder
Aber man kann die Kinder begeistern, den Funken überspringen lassen, war sich Naneder einig mit Jörg Kuhn, dem Geschäftsführer des Fischereiverbandes Niederbayern, und Paul Riederer, dem Ehrenvorsitzenden der Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz: Sie alle gehen bei Erlebnistagen und Führungen immer wieder mit jungen Leuten hinaus in Wälder und Fluren, an Bäche und Weiher. Uferstreifen: Der Natur ein klein wenig Raum lassen Diese Arbeit müsse noch erheblich ausgeweitet werden „in einer Zeit, in der 70 Prozent der Fischarten auf der Roten Liste stehen", führte Naneder aus. Und Paul Riederer merkte an, dass auch Erwachsene dazu eingeladen sind – auch „die erfahren Dinge, die sie im Leben noch nicht gesehen Wenn mehr Menschen einen Blick für die Natur und Wissen um die Zusammenhänge in der Natur hätten, werde es leichter sein, auch in Bayern und Berlin eine dringende Forderung aller Umwelt-Fachleute umzusetzen, betonten Kuhn und Wartner:
Nur in Bayern und Berlin gebe es noch keine Pflicht, an Gewässern Uferstreifen von fünf oder zehn Metern frei zu lassen von landwirtschaftlicher Nutzung. Der Natur ein wenig Raum zu geben, das entspreche auch dem „bayerischen Grundsatz vom Leben und Leben lassen", sagte Wartner. Er freue sich, dass schon etliche Landwirte hier ein Einsehen hätten. Zudem müsse niemand die Uferstreifen umsonst aus der landwirtschaftlichen Nutzung nehmen, es gebe vielmehr Entschädigungszahlungen dafür.
Das Kartenspiel „Kleine Fließgewässer in Niederbayern" ist kostenlos erhältlich beim Landratsamt Landshut (Untere Naturschutzbehörde), beim Wasserwirtschaftsamt Landshut, bei der Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz und beim Landschaftsarchitekturbüro Wartner & Zeitzler
Im Bild ganz oben: Die Vorstellung des Kartenspieles „Kleine Fließgewässer in Niederbayern" im Landratsamt. Von links: Naturschutzfachmann Helmut Naneder (Landratsamt Landshut), Fritz Kuhn (Geschäftsführer des Fischereiverbandes Niederbayern), Bertram Peters (Gewässerbiologe, Wasserwirtschaftsamt Landshut), Landrat Peter Dreier, Landschaftsarchitekt Helmut Wartner und Paul Riederer, Ehrenvorsitzender der Kreisgruppe Landshut des Bundes Naturschutz.