Macht das Ergoldinger Landkreis-Gymnasium in China Schule? Direktor Dr. Klaus Wegmann stellte einer Delegation aus Nanking Konzept und Architektur vor
Ergolding (18.12.2016) Information ist der Anfang von allem: Zum zweiten Mal, nach der Berlin-Fahrt von Landrat Peter Dreier, hat in diesem Jahr eine Nachricht aus dem Landkreis Landshut den Sprung in chinesische Medien geschafft – die Kunde von der Glanzleistung deutscher Architekten beim Bau des neuen Landkreis-Gymnasiums.
Daher machte eine hochrangige Delegation der Regierung der Provinz Jiangsu (rund 77 Millionen Einwohner) bei einer Deutschland-Reise auch Station in Ergolding: Gymnasium-Direktor Dr. Klaus Wegmann vermittelte den Gästen ausführlich und anschaulich ein Bild von der Schule, von ihrer Architektur, ihrem pädagogischen Konzept und der alltäglichen Arbeit.
Gemeinsam mit Walter Gebhart, Architekt und Leiter der Hochbau-Abteilung des Landratsamts, und der Architektin Stefania di Pisa (Architekturbüro Leinhäupl und Neuber, Landshut) führte Direktor Dr. Klaus Wegmann die Delegation mit der Regierungsvizepräsidentin Xu Ming Yao an der Spitze durch das Gymnasium. Auch vor und nach dem Rundgang stand Wegmann den chinesischen Gästen auf viele Frage Rede und Antwort.
Die Übersetzungen übernahm eine hervorragende Dolmetscherin aus den Reihen der Delegation aus der Provinz Jiangsu, sie liegt nördlich von Schanghai am Gelben Meer. Hauptstadt der Provinz, die in punkto Einwohnerzahl den Platz fünf unter den 33 Provinzen Chinas belegt, ist die historisch bedeutsame Acht-Millionen-Metropole Nanking am Jangtsekiang-Strom, die in verschiedenen Epochen Hauptstadt des Riesenreichs war.
Die mehrtägige Reise der Abordnung der Provinzregierung von Jiangsu quer durch Deutschland fand im Vorfeld der Planung und des Neubaus von mehreren Schulen statt. Die Mitglieder der Delegation haben sich vor allem über deutsche Baustandards und Fragen der Architektur von Schulen informiert, von Grundschulen bis Gymnasien. Im Mittelpunkt ihres Interesses standen besonders auch Fragen der Verbindung von Architektur und Pädagogik – so sind sie auch auf das Gymnasium Ergolding aufmerksam geworden.
Mit hörbarem Stolz legte Wegmann unter anderem die geistig-weltanschauliche Haltung dar, die in der Architektur des Gymnasiums Ergolding in ihren Ausdruck finde: Zwei renommierte Architekturbüros haben verantwortlich gezeichnet für Bau und Gestaltung des Gymnasiums, eines davon ist das Büro Behnisch (Stuttgart), dessen Begründer, Prof. Günter Behnisch (1922-2010), den im Jahr 1992 fertiggestellten neuen Plenarsaal des Bundestages in Bonn geplant hat. Weltberühmtheit hat Behnisch durch das von ihm zusammen mit einem Kollegen entwickelte Münchener Olympia-Station erlangt.
Behnisch habe das „Prinzip des demokratischen Bauens“ entwickelt und lebenslang als Leitlinie seiner Arbeit verfolgt. Dieser Grundzug spiegele sich auch in der Architektur des Ergoldinger Landkreis-Gymnasiums wider.
Was hier in die Ausdruckssprache der Architektur umgesetzt sei, korrespondiere sehr mit dem Leitmotiv der gesamten Schule – mit Offenheit als pädagogischem Prinzip, das man am Gymnasium täglich mit Leben zu erfüllen suche. Das ist eine der Kernaufgaben der derzeit 62 Lehrer, die rund 520 Schüler unterrichten, wie Dr. Wegmann deutlich machte. Im Lehrerzimmer sahen die Gäste, dass sich das Lehrerkollegium aus vielen jungen Leuten zusammengesetzt ist – nach den Worten des Schulleiters ist dies einer der großen Vorteile einer Aufbau-Schule wie dem Gymnasium Ergolding. Die Schule hat im September 2013 den Unterrichtsbetrieb aufgenommen mit zwei Jahrgangsstufen (5. und 6. Klassen) – ein Modell, das er nur weiterempfehlen könne für den Fall einer Gymnasiums-Neugründung, erklärte der Gymnasiumsleiter gegenüber den chinesischen Gästen: Denn dann wüchsen, wie man am Ergoldinger Gymnasium sehe, alle gut zusammen, die Schüler, die Lehrer, die Verwaltungsmitarbeiter, die ganze Schulfamilie.
Rund 20 Prozent der Schüler haben ihre Wurzeln außerhalb Deutschlands, erläuterte er, so dass hier Schüler mit insgesamt 27 verschiedenen Muttersprachen die Schulbank drücken, mehrere sind asiatischer Herkunft, eine Schülerin stammt aus China. Durch einen netten Zufall kam die Besuchergruppe in die Klasse, zu der die junge Chinesin gehört und konnte ein paar Sätze in der Muttersprache mit ihr wechseln.
Die chinesischen Gäste erfuhren (und erfragten) so unterschiedliche Details wie die Tatsache, dass es die Statik des Gymnasiums erlaubt, ein weiteres Geschoss mit fünf Klassenräume auf das bestehende Gebäude draufzubauen, was die Kulturhoheit der Länder in Deutschland bedeutet oder dass es in Bayern ein Zentral-Abitur gibt. In dem Riesenland China ist dagegen, wie die deutschen Gesprächspartner erfuhren, alles sehr zentralisiert, von den Lehrinhalten bis zu den Abschlussprüfungen.
Beeindruckt, ja schon eher verblüfft, waren die chinesischen Gäste, als sie auf Nachfrage erfuhren, dass 80 Prozent der Schüler mit öffentlichen Verkehrsmitteln, zu Fuß oder mit dem Rad zur Schule kommen. In China müsste man dagegen ein Gymnasium am besten nahe einer Autobahn bauen, bemerkte ein Mitglied der Delegation, weil die Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen wollten.
Im Bild die Besucher aus China mit Direktor Dr. Klaus Wegmann (2. Reihe, Mitte). Er führte die Delegation aus der Provinz Jiangsu unter der Leitung von Regierungsvizepräsidentin Xu Ming Yao (1. Reihe, 2. von links) durch das Gymnasium Ergolding; mit im Bild die Architektin Stefania di Pisa (2. Reihe, rechts) und der Leiter des kreiseigenen Hochbaus, Walter Gebhart „Wir bauen eine Schule, die uns als Schüler Freude gemacht hätte“: Das, so Direktor Wegmann, sei die Leitlinie von Planern, Pädagogen und Ideengebern beim Bau des zweiten Landkreis-Gymnasiums gewesen.